Alles auf einen (Tauben)-Schlag

Modernes Taubenmanagement heißt ganzheitlich zu denken. Dafür brauchen wir eine finanzielle Absicherung.

Über die Jahrhunderte zunächst als heiliges Tier verehrt und gezüchtet, dann zum Friedenssymbol erklärt und heutzutage im Kontrast dazu als “Ratten der Lüfte” verschrien. Tauben sind in Verruf. Kaum ein anderes Tier polarisiert und spaltet die Gemüter so stark.

Dabei lassen sich viele Vorurteile gegenüber Tauben einfach widerlegen. So ist die Übertragung von Krankheiten durch Tauben nicht wahrscheinlicher als durch andere Tiere, wie z.B. Hunde, Katzen oder andere Vögel. Was viele zusätzlich ärgert: Verschmutzung durch Taubenkot.

Klar ist aber, dass sie zu unrecht stigmatisiert wird, und das nicht erst seit der social media Sympathieträger Malte Zierden seinem Freund Oskar ein kleines Miniarturwohnzimmer gebaut hat und uns regelmäßig über Instagram und TikTok an den Reaktionen von Oskar teilhaben lässt.

Seitdem ich tierschutzpolitische Sprecherin bin, ist mir noch bewusster geworden, wie angespannt das Verhältnis zwischen Mensch und Taube ist. Die Kluft zwischen denjenigen, die sie schützen und denjenigen, die sie hassen, ist groß. In einem sind sie sich allerdings überwiegend einig: Es gibt zu viele Stadttauben in den deutschen Städten. Da stimme ich ihnen zu.

Wie kommen die Tauben in die Städte?

Wenig bekannt ist, dass Stadttauben keine Wildtiere sind. Sie sind verwilderte Haustiere!

Stadttauben können sich bis zu 7 Mal im Jahr vermehren, es versterben gleichzeitig aber ca. 90% der Jungtiere. Dennoch steigt die Population in den Städten stetig an. Wie kommt das? Grund dafür ist der Zuzug von Zuchttieren wie etwa Hochzeits- und Brieftauben.

Die in den Städten herumstreunenden Tauben sind Nachkommen der gezüchteten Tauben, die entweder von den Eigentümern, oft aus Zuchten oder dem Taubensport, ausgesetzt wurden, ihren Weg nicht zurück finden oder aus offengelassenen Gehegen entflogen sind. Die Schwärme vergrößern sich immer wieder dadurch, das neu frei gelassene Tauben sich ihnen anschließen.

Das legt auch ein Gutachten aus der Stabsstelle der Berliner Landestierschutzbeauftragten dar, die ebenfalls einen Plan vorlegt, wie die Situation für Mensch und Tier verbessert werden kann: stadtweite betreute Taubenschläge! Ein altes Konzept, das einige sicherlich aus den Altstädten in Italien und Frankreich kennen.

Landestierschutzbeauftragte Dr. Kathrin Herrmann zu betreuten Taubenschlägen:

Wie langjährige Erfahrungen von funktionierenden Taubenschlägen sowie aktuelle Daten einer bundesweiten Umfrage des Vereins Menschen für Tierrechte zeigen, ist dieses Konzept geeignet, Stadttauben an einen festen Standort zu binden, wo sie artgerecht gefüttert, der Großteil ihres Kots problemlos entsorgt und ihre Eier zum Zweck der Populationskontrolle tierschutzkonform entnommen werden können. So werden auch immense Kosten für Stadtreinigung und Vergrämungsmaßnahmen eingespart. Wir haben die Chance, win-win-Situationen zu schaffen – für Menschen und Tiere!”

Was bezwecken Taubenschläge?

Denn sogenannte Vergrämungsmaßnahmen, wie etwa Spikes, Netze, Kleber oder akustische Signale lösen das Problem nicht. Sie verlagern es wiederum nur auf Nebengebäude und manche verstoßen gegen den Tierschutz, indem sie Tiere verletzten, die häufig an den Folgen sterben.

Zahlreiche Berichte zeigen auf: Taubenschläge funktionieren nachhaltig und gut in Deutschland. Dabei dienen sie der Unterbringung von Stadttauben, die dort vor Witterung und Feinden geschützt sind und deshalb dort nisten. In der Folge können an diesen Orten die Eier einfach durch Attrappen (meist Eier aus Gips) ausgetauscht werden und ein großer Teil vom Taubenkot bleibt im Schlag. Durch regelmäßige Desinfektion und artgerechtes Futter sind die Tiere gesund und übertragen keine Krankheiten. So kann ein gesunder und stadtverträglicher Taubenbestand gesichert werden.

Dabei gibt es für einen funktionierenden Schlag noch weitere Dinge zu berücksichtigen: Attraktive Nistplätze in der Umgebung müssen versiegelt werden - also verschlossen oder tierschutzgerecht vergrämt werden. Der Schlag muss groß genug sein um den Schwarm unterzubringen, denn da Tauben sehr standorttreu sind nisten sie sonst ungünstig um den Schlag herum. Gleichzeitig ist die Stadtplanung miteinzubeziehen, damit künftig so gebaut wird, dass keine neuen Brutplätze geschaffen werden.

Das vielleicht bekannteste, ist das Modell der Stadt Augsburg, die in Zusammenarbeit mit Tierschutzvereinen mehrere Taubenschläge betreut. Auf dem Stadtgebiet wurden bis 1995 sogar Tauben abgeschossen - was allerdings zu keiner dauerhaften Verkleinerung der Taubenschwärme geführt hat. Seit 2017 wurden betreute Anlagen geschaffen, die Schläge sind in unterschiedlichen Baulichkeiten wie z. B. Parkhäusern, Türmen der ehemaligen Stadtbefestigung, in den Dachstühlen städtischer Verwaltungsgebäude sowie in zwei Fällen auf Flachdächern untergebracht - je nachdem, wo sich verstärkte Taubenprobleme zeigten. Nach Berichten der Stadt, werden so jährlich etwa 5 Tonnen Taubenkot sachgerecht entsorgt, anstatt auf den Denkmählern zu landen.

Vorteile für Mensch und Taube

Ob Taubenschläge die Population tatsächlich verkleinern ist nicht gesichert. Sie bieten aber viele Vorteile:

  1. Die Aufenthaltsqualität steigt: Die Stadttauben verbringen den Großteil des Tages im Schlag und nicht mehr auf öffentlichen Plätzen - dort liegt dann auch kaum noch Taubenkot.

  2. Das Gesundheitsrisiko sinkt: Die sauberen Schläge und artgerechtes Futter und Pflege verbessern die Gesundheit der Tiere: So liegen weniger tote Tiere auf der Straße - denn von ihnen geht die eigentliche gesundheitliche Gefahr aus!

  3. Artgerechte Populationskontrolle: Die Entnahme der Eier ist die schonendste Methode den Bruterfolg zu verringern. Geringes Futterangebot oder ungeeignete Nistplätze reduzieren die Gelege kaum, da der Brutdrang durch den Menschen stark gezüchtet wurde.

  4. Erhebliche Kosteneinsparung: im Vergleich zu den derzeitigen Kosten für Reinigung und Vergrämungsmaßnahmen rechnet sich ein Taubenschlag schnell. Zum Beispiel – selbst der sehr teure Taubenschlag am Potsdamer Platz mit Kosten um die 100.00€ hat sich in kürzester Zeit rentiert, doch als das Areal verkauft wurde und der neue Eigentümer den Taubenschlag entfernt hat, waren die Probleme wieder da.

Gibt es dazu noch Alternativen? Andere Optionen haben sich nicht in so vielen Punkten bewährt!

Eine Kastration männlicher Tauben ist nicht in ausreichender Anzahl kostengünstig umsetzbar, da sie einen hohen Aufwand bedeutet. Falken als natürliche Feinde konnten bisher ebenfalls nicht in ausreichender Menge eingesetzt werden und die Tauben-Pille als Verhütungsmethode birgt Schwierigkeiten in der Dosierung und ebenfalls hohen Kosten und Aufwand. Umfangreiche wissenschaftliche Studien gibt es bisher zu keiner der Methoden.

Die Lage in Berlin und Lichtenberg

Für die Hauptstadt hat die Landestierschutzbeauftragte bereits ein Stadttaubenkonzept veröffentlicht, denn es braucht dringend ein modernes Taubenmanagement! Das ist inzwischen auch im Koalitionsvertrag und in den Richtlinien der Regierungspolitik verankert:

“Für mehr Sauberkeit in der Stadt will der Senat ein Taubenmanagement etablieren mit dem Ziel, die Taubenpopulation zu reduzieren.”

Wie viele Stadttauben genau in Berlin leben lässt sich nicht zählen, Schätzungen gehen von mindestens 10.000 Tieren aus. Doch wegen versteckter Brutplätze sind sie schwer zu finden und pro Taube könnte jeweils noch ein Partner und zwei Küken dazu kommen! Das hohe Aufkommen von Tauben ist aber kein flächendeckendes Problem, sondern kommt vor allem an Hotspot vor, zum Beispiel am S+U Lichtenberg, S+U Warschauer Str., U Kottbusser Tor oder am U Schlesisches Tor - diese Ort bieten sich für Taubenschläge besonders an. Einkaufszentren oder Hochhäuser bieten sich ebenfalls an, in Schöneberg sind Taubenschlägen auch schon in alten Bauwägen untergekommen.

Um mit der Umsetzung des Berliner Stadttaubenkonzeptes zu starten, können die Bezirke seit diesem Sommer Gelder bei der Landestierschutzbeauftragten beantragen. In Kooperation mit ehrenamtlichen Tierschutzvereinen sollen dann erste Pilotprojekte beginnen. Die Bezirksverordnetenversammlung Lichtenberg hat im Mai 2023 beschlossen, dass diese Mittel durch das Bezirksamt abgerufen werden sollen. Das Bezirksamt hat in der Antwort auf eine Kleine Anfrage bestätigt mit verschiedenen Akteuren hierzu im Austausch zu sein und bis zu zwei Standorte zu planen.

Damit solche Pilotprojekte über das Jahr 2023 hinaus weiterlaufen können, sind im Haushaltsentwurf des Senats für die Jahre 2024 und 2025 ebenfalls Gelder zur Verfügung gestellt - die Koalition will diese mit dem finalen Haushalt im Parlament in diesem Jahr bestätigen! So kann beobachtet werden, wie sich die Maßnahmen in den Bezirken auswirken und das Projekt ausgewertet und wo nötig weiter ausgebaut werden.

Zurück
Zurück

Sicherer druff in Berlin?

Weiter
Weiter

Welcher Tram-Umbau rollt in Lichtenberg auf uns zu?