Sicherer druff in Berlin?

Das vom Berliner Senat geförderte Drugchecking-Projekt ist nun seit 6 Monaten im Routinebetrieb. Höchste Zeit einen umfassenden Blick darauf zu werfen und auch zu besprechen, was sich noch ändern muss!

Dem Spruch “Vorteile, Nachteile, egal - Hauptsache Teile” entschlossen entgegen, macht Berlin Politik nach dem Motto “Wenn schon Rausch, dann so risikoarm und sicher wie möglich".

Die damals noch von den Grünen geführte Senatsverwaltung für Gesundheit hat im Februar 2023 - kurz vor der Wiederholungswahl und mitten in der heißen Wahlkampfzeit - öffentlich bekannt gegeben, dass das Berliner Drugchecking-Programm im März startet. Die Ankündigung war übereilt, aber Anfang Juni 2023 konnte das Projekt dann wirklich starten.

Was ist Drugchecking?

Beim Drugchecking handelt sich um ein Analyse- und Beratungskonzept der Drogen- und Suchthilfe. Konsumierende haben dabei die Möglichkeit psychoaktive Substanzen anonym, kostenlos und legal auf Verunreinigungen und Wirkstoffgehalt testen zu lassen.

Dabei sollte man im Hinterkopf behalten, dass die Ergebnisse keine Unbedenklichkeitsbescheinigung darstellen, sondern lediglich eine Orientierung zur Risikominderung beim Konsum bieten können.

Seit Juni 2023 können Proben an drei Standorten in Berlin während der Sprechstunden abgegeben werden:

  • Trägergemeinschaft vista GmbH - bei Misfit (dienstags ab 17:00 Uhr)

  • Fixpunkt gGmbH in Friedrichshain-Kreuzberg - bei Druckausgleich (dienstags ab 18:30 Uhr)

  • Schwulenberatung Berlin gGmbH in Charlottenburg (montags ab 16:00 Uhr)

Wie funktioniert es?

Angenommen werden Betäubungsmittel und neue psychoaktiven Substanzen. Grundsätzlich nicht untersucht werden pflanzliche Stoffe, wie z. B. Cannabis oder psychoaktive Pilze, es ist aber in Ausnahmefällen möglich. Handelt es sich um eine Droge in Pulverform, reicht es eine Messerspitze davon in ein bereitgestelltes Röhrchen zu geben. Bei Tabletten (Pillen), Trips (Pappen, Filze, Blotter) und Kapseln muss die Substanz in ihrer gesamten Form bleiben, damit eine zuverlässige Aussage der chemischen Zusammensetzung getroffen werden kann. Das Laboranalyse konzentriert sich auf die folgenden drei Kriterien:

  • Welche psychoaktiven Wirkstoffe sind enthalten?

  • In welchen Mengen sind sie enthalten?

  • Welche potentiell gefährlichen Verunreinigungen gibt es und (wenn möglich) in welcher Menge?

Rechtlich bedarf jeglicher Umgang mit Betäubungsmitteln einer behördlichen Erlaubnis. Daher dienen die Beratungsstellen auch lediglich als Abgabestelle. Die Mitarbeitenden selbst dürfen mit den Drogen nicht in Kontakt kommen. Das Landesinstitut für gerichtliche und soziale Medizin (GerMed) ist für die Abholung der Proben und die Analyse zuständig. Sobald die Ergebnisse vorliegen, in der Regel innerhalb von 3-7 Tagen, werden sie zurück an die Beratungsstellen übermittelt und können von den Konsumierenden telefonisch oder persönlich abgefragt werden. Die Mitarbeitenden der Suchthilfe bieten eine gemeinsame Auswertung an. Bei Bedarf stehen sie auch für weitere Beratungen und Hilfe bereit.

Der Sucht- und Drogenbeauftragte der Bundesregierung Burkhard Blienert erklärte bei einem Besuch des drugchecking Projekts Berlin am 20. Juni 2023:

„Drugchecking ist eine wichtige und notwendige Maßnahme zur Schadensminimierung. Wir finden verunreinigte Substanzen heraus und erhalten einen Überblick über den Markt. Ich verspreche mir von dem Angebot einen Perspektivwechsel im Umgang mit Drogenkonsumierenden und einen Beitrag zu Entstigmatisierung“.

Warum lohnt sich das Drugchecking-Projekt?

Das Projekt will sowohl zur Entstigmatisierung beitragen als auch für die Risiken des Konsums sensibilisieren. Der pharmazeutische Leiter, Tibor Harrach, sagt dazu:

"Drug-Checking ist unserer Auffassung nach erfolgreich, wenn wir gesundheitliche Schäden vermeiden können und wenn wir als Drogenhilfe Konsumierende erreichen, die durch die Drogenhilfe sonst nicht erreicht werden oder viel zu spät erreicht werden."

Auf Grundlage der Laborergebnisse können Konsumierende die Substanzwirkung und damit auch das individuellen Risiko besser einschätzen. Auch die Beratungsangebote können dabei unterstützen einen Konsumkompetenz zu entwickeln und den Konsum zu reflektieren und zu ändern. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Sozialarbeit in den Beratungsstellen berichten, dass sie über das Projekt viele Personen auf ihren Drogenkonsum ansprechen konnten, die nicht in eine reguläre Suchtberatung gehen würden.

Ein weiterer Schwerpunkt des Projekts: Über die systematische Auswertung der Ergebnisse können unerwartete Substanzen bzw. gefährliche Verunreinigungen erkannt und somit Überdosierungen und andere Vergiftungen vermieden werden. Das Monitoring unterstützt somit das frühzeitiges Erfassen von neuen Konsumtrends. Dadurch können die Entwicklungen des Schwarzmarkts für psychoaktive Substanzen erfasst werden.

Die Analysen der vergangenen Monate ergaben, dass ca. 30-50% der bewerteten Befunde auffällig waren. Als auffällig werden sie dann bezeichnet, wenn in den Proben hochdosierte Tabletten, verunreinigte Substanzen und falsch deklarierte Präparate enthalten sind. In diesen Fällen werden aktuelle Warnhinweise auf der Website veröffentlicht.

Ausblick: Was muss sich noch ändern?

Für den Anfang gut, aber nicht ausreichend - kann man als Zwischenfazit des Drugcheckings sagen. Das Angebot wird sehr gut angenommen und genutzt. Leider fehlt es an ausreichend personellen Kapazitäten. In der Presse war zu lesen, dass rund ein Drittel aller Interessierten abgewiesen werden müssen - eine Beratung kann aber auch ohne Abgabe einer Substanz erfolgen!

Aktuell wird es überwiegend von Menschen genutzt, die die Substanzen im Party- und Freizeitbereich konsumieren und im Vorfeld mit einberechnen, dass das Laborergebnis mehrere Tage verzögert übermittelt wird. Es ist eine Art privilegierter Konsum. Nutzbar ist das Angebot nur dann, wenn der Rausch geplant ist. Um es für Konsumierende im Nachtleben niedrigschwellig zu gestalten, braucht es die Möglichkeit, Ergebnis und Beratung noch am selben Abend zu erhalten.

“Ich halte neben dem stationären Drugchecking die Implementierung eines mobilen Angebots für erforderlich”, sagt Tamara Lüdke.

Der Vorteil eines solchen mobilen und dezentralen medizinischen Laborverfahren, das man auch Point-of-Care-Testing (POCT) nennt: Es ermöglicht Substanzen direkt vor Ort - auf Festivals, in Clubs oder in Konsumräumen - auf ihre Inhaltsstoffe analysieren zu lassen. Das Ergebnis gibt es nach ca. 20 Minuten. In der Schweiz befindet sich das POCT beim Drugchecking bereits im Einsatz.

Doch nicht nur Feiernde suchen den Rausch. Der Konsum von Drogen ist auch im öffentlichen Raum bei Obdachlosen sichtbarer geworden, aktuell insbesondere an der Hasenheide, im Körnerpark und am Leopoldplatz. Derzeit erlebt Berlin sogar eine starke Crack-Welle. Eine sinnvolle Überlegung wäre daher, die mobilen Labore perspektivisch mit der Arbeit der Drogenkonsum-Mobile zu verbinden.

Berlin hat aktuell drei Drogenkonsum-Mobile. Sie haben das flexible Konsumgeschehen der Stadt, das in der Regel dorthin wandert, wo keine Repression stattfindet, im Blick und fahren direkt zu den Menschen, die ansonsten im öffentlichen Raum Drogen nutzen müssen.

“Um den suchterkrankten Menschen auf der Straße nachhaltig zu helfen, braucht es einen mehrschichtigen Ansatz. Zum einen mehr sichere Rückzugs- und Konsumräume und Substitutionsangebote, zum anderen auch mehr 24/7-Unterkünfte und Beschäftigungsmaßnahmen”, sagt Tamara Lüdke.

Sie bestärkt damit auch die Aussagen von Lilli Böwe, Suchtkoordinatorin im Gesundheitsamt Neukölln, die im Interview mit dem Tagesspiegel erläutert, warum Rückzugs- und Konsumräume für suchtabhängige Obdachlose so dringend sind:

“Wir beanspruchen viel Raum für uns, haben unsere eigenen vier Wände und möchten auch im öffentlichen Raum nicht gestört werden durch auffälliges Verhalten. Und dabei bedenken wir nicht mit, dass wohnungslose Menschen über gar keinen eigenen Raum verfügen und zwangsläufig den öffentlichen Raum nutzen müssen. Jedes Mal, wenn ein Mensch in einem Hauseingang oder Gebüsch konsumiert, ist das ja immer schon der Versuch, sich aus dem öffentlichen Raum zurückzuziehen.”

Ein positiver Ausblick: Die Einrichtung von mobilen Laboren bzw. POCT-Abgabestellen und auch das Drugchecking in Drogenkonsumräumen ist zum Greifen nah! Der Deutsche Bundestag hat im Juni 2023 eine Änderung des Betäubungsmittelgesetzes beschlossen. Nun ist das Druckchecking gesetzlich abgesichert und die Landesbehörden dazu ermächtigt, eine Rechtsverordnung zur Regulierung in ihrem Bundesland zu erlassen. Die Berliner Landessuchtbeauftragte Frau Mutter hat bestätigt, dass eine solche bereits in Planung ist.


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