Wahlen in Taiwan

Der Dauerkonflikt um die Unabhängigkeit Taiwans gilt als einer der gefährlichsten potenziellen Krisenherde der Welt.

Am 13. Januar 2024 fand in Taiwan die achte freie Präsidentschafts- und Parlamentswahl statt. Sie ist richtungsweisend für den politischen Kurs des ostasiatischen Inselstaats in den nächsten vier Jahren. Lest hier, wie die Wahlen ausgegangen sind und warum sich das Parlamentarische Forum Taipeh im Abgeordnetenhaus von Berlin gegründet hat.

Tamara Lüdke, Mit-Gründerin und Sprecherin des Parlamentarischen Forums Taipeh im Abgeordnetenhaus von Berlin:

Zwischen Berlin und Taipeh bestehen schon seit Jahren enge Verbindungen. Vor allem, aber nicht nur in den Bereichen Kultur, Wirtschaft und Forschung. Wir hoffen dazu beitragen zu können, den Austausch zwischen den beiden Metropolen in Zukunft auch noch ausweiten zu können. Gerade in Zeiten, in denen Taiwan wieder massiver unter Druck Chinas steht, wollen wir damit den Gedanken der Freiheit, der unsere beiden Städte trägt, stärken.

Demokratie in Taiwan vs. China-Taiwan-Konflikts

Taiwan hat seit Jahrzehnten eine unabhängige, demokratisch gewählte Regierung. Im Demokratieindex der Economist Intelligence Unit befindet sich der Inselstaat auf dem zehnten Platz (vier Plätze vor Deutschland). Damit ist es eines der 24 Länder, die als “vollständige Demokratie” gelistet werden – neben Japan und Südkorea das einzige in Asien.

Taiwan ist durch die Taiwanstraße, eine 180-Kilometer breite Meerenge, von China getrennt. Obwohl die Kommunistische Partei in Peking Taiwan nie regierte, sieht sie den Inselstaat als Territorium Chinas an. Um den Hintergrund zu verstehen, muss man sich die Geschichte anschauen: Im Chinesischen Bürgerkrieg besiegten die Kommunisten von Mao Zedong die nationalistischen Kuomintang, die nach ihrer Niederlage nach Taiwan flüchteten. Während sich Taiwan selbst verwaltet hat und als "Republik China", wie Taiwan offiziell heißt, zu einer freiheitlichen Demokratie entwickelte, wurde 1949 in Peking die kommunistische Volksrepublik gegründet.

Außenpolitisch fordert Peking mit der “Ein-China-Politik”, dass nur Festlandchina offiziell als Staat anerkannt wird. Diplomatische und andere offizielle Beziehungen zu Taiwan dürfen von anderen Ländern demnach nicht unterhalten werden. Viele Staaten nehmen Rücksicht darauf - auch die USA und die EU halten sich zumindest offiziell daran. Taiwans Status wird nur von wenigen und vor allem kleinen Ländern als unabhängig anerkannt. Innerhalb der EU versuchen zurzeit Tschechien und Litauen ihre Beziehung mit Taiwan zu stärken.

Die Wahlen: Krieg und Frieden vs. Demokratie und Autokratie

Auf Initiative von Tobias Bauschke (FDP) hin wurde ich Mit-Gründerin des Netzwerks, und gemeinsam mit Jian Omar (GRÜNE), bin ich derzeit Sprecherin des Parlamentarischen Forums Taipeh im Abgeordnetenhaus von Berlin.

Als letzten Samstag, am 13. Januar, Taiwan an die Wahlurne ging, war ich auf die Wahlparty zur Präsidentschaft- und Parlamentswahl in der Taipeh Vertretung in Berlin eingeladen. Mir ist es wichtig, gute Beziehungen zu Taiwan zu pflegen und die Gespräche nicht abbrechen zu lassen.

Für das Präsidentschaftsamt, wofür die einfache Mehrheit der Stimmen reicht und damit dem der USA sehr ähnelt, kandidierten drei Personen:

  • Lai Ching-te, bisheriger Vizepräsident, von der regierenden Demokratische Fortschrittspartei (DPP),

  • Hou Yu-ih, Bürgermeister von Neu-Taipeh, von der chinafreundlichen und konservativen Oppositionspartei (KMT) und

  • Ko Wen-je, ehemaliger Bürgermeister von Taipeh, von der 2019 gegründeten populistischen Taiwanische Volkspartei (TPP).

Bestimmendes Wahlkampfthema war das angespannte Verhältnis zu China. Trotz der parteilichen Differenzen hinsichtlich des Kurses, bekannten sich dennoch alle Kandidaten für eine Beibehaltung des Status Quo zu China. Die Argumentation dazu unterscheidet sich allerdings. Für den Spitzenkandidat der DPP, Lai Ching-te, müsse Taiwan als de facto souveränes Land, gar keine formelle Unabhängigkeit mehr erklären. Bei Meinungsumfragen vor den Wahlen galt er als Favorit.

Am 13. Januar errang er mit 40% der Stimmen den Wahlsieg. Damit stellt die DDP zum 3. Mal in Folge - die scheidende Amtsinhaberin Tsai Ing-wen durfte nach zwei Amtszeiten nicht noch einmal kandidieren – den Präsidenten. Lai ist nun gleichzeitig Staatsoberhaupt, hat den Oberbefehl über die Streitkräfte, vertritt die Nation im Ausland und bestimmt den Premierminister.

Parallel dazu fand auch die Wahl zu Taiwans Parlament statt, dem Legislativ-Yuan, die ähnlich wie in Deutschland über eine Erst- und Zweitstimme erfolgt. Die DDP verlor vergangenen Samstag die absolute Mehrheit über die 113 Plätze im Parlament. Für den neuen Präsidenten Lai bedeutet das, dass er auf eine Zusammenarbeit mit der Opposition angewiesen ist. Eine erhebliche Bewährungsprobe, die Auswirkungen auf die Außenpolitik zur Folge haben könnte. Am 20. Mai wird er offiziell die Amtsgeschäfte übernehmen.

Was bedeutet der Wahlausgang nun für das zukünftige Verhältnis zu China? Zumindest rhetorisch entschlossen, spricht Peking immer wieder von „Wiedervereinigung“, notfalls auch mit militärischen Mitteln. Die chinesische Führung hatte sich ein anderes Ergebnis gewünscht. Im Vorfeld bezeichnete Peking die Wahl als eine Entscheidung zwischen "Krieg und Frieden" und nannte Lai einen “gefährlichen Separatisten”, der eine Bedrohung für den regionalen Frieden darstelle.

Lai, der in den vergangenen Jahren als Vizepräsident wiederholt erfolglos Gespräche mit Peking angeboten hat, weist dieses Narrativ zurück. Er sagte in seiner Rede zum Wahlsieg, dass sich Taiwan für die Demokratie und gegen den Autoritarismus entschieden habe. Er versprach, dass er im Einklang mit der Verfassung handeln werde, sodass "der Status quo der Taiwanstraße gewahrt bleibt".

Dass sich Peking auf Lai zubewegt und der offizielle Dialog zwischen beiden Seiten, der in den letzten acht Jahren, in denen die DPP regierte, ausgesetzt war, wieder eröffnet wird – davon ist derzeit nicht auszugehen.

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