Freiheit, Gleichheit, Menschenwürde!

Gemeinsam mit Christoph Dinkelaker habe ich über die Frage gesprochen, warum die derzeitige Menschenrechtslage im Nahen Osten so prekär ist. Dabei gehen wir auch auf die westliche Rolle sowie Entwicklungszusammenarbeit und feministische Außenpolitik ein.

Der Nahe Osten ist eine Region, die in den letzten Jahren immer wieder von Verstößen gegen die Menschenrechte, aber auch von Protestbewegungen für mehr Freiheiten geprägt war. Trotz Ausbeutung, Unterdrückung und Krieg gibt es in diesem Gebiet, das von Nordafrika bis an den Hindukusch reicht, immer auch Bestrebungen für mehr Teilhabe, gleiche Rechte und die Einhaltung der Menschenrechte. Dies geschieht manchmal mit großer öffentlicher Aufmerksamkeit, wie zum Beispiel dem Arabischen Frühling, aber auch abseits von großen Schlagzeilen, unter anderem die Etablierung einer queeren Szene in Beirut.

Christopher, Katha und Tamara auf der Podiumsdiskussion zu Menschenrechte

“Wenn wir die eigene westliche Rolle reflektieren, dann müssen wir bedenken, dass koloniale Strukturen und Grenzziehungen eine große Rolle spielen und bis heute noch sehr wichtig für die Länder sind.”

Christoph Dinkelaker, Journalist, Reiseleiter und Mitbegründer von Alsharq,

Unser Gespräch gibt es hier im Blogbeitrag. Hör gern rein!

Foto: Lisa-Marie Sager

Menschenrechte - allgemein und universell

Die Entmenschlichung und die Gräueltaten des Zweiten Weltkriegs machten eine Niederschrift und allgemeingültige Definition von Menschenrechten notwendig. Am 10. Dezember 1948 wurde in Paris die Resolution „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ der Generalversammlung der Vereinten Nationen verkündigt. Zwar ist die Erklärung keine verbindliche Rechtsquelle des Völkerrechts, weil die Vollversammlung kein Völkerrecht schaffen kann. Dennoch gilt die Erklärung als Leitfaden für weitere und vor allem rechtlich bindende Abkommen wie die Europäische Menschenrechtskonvention. Weltweit ist sie richtungsweisend für die Politik und die Zivilgesellschaft. Bereits mit dem ersten Artikel wird unmissverständlich klargestellt, dass alle Menschen frei und gleich an Würde und Rechten geboren sind. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Solidarität begegnen.

Somit sind Menschenrechte angeborene und unveräußerliche Rechte eines jeden Menschen, die die moralische und rechtliche Basis der Menschheit bildet. Sie sind höher gestellt als die Rechte eines Staates. Es gilt: Kein Staat kann seinen Bürger*innen Menschenrechte verliehen oder diese gar aberkennen. Er kann sie nur als solche anerkennen.

Trotz allem stehen die Menschenrechte weltweit unter einem enormen Druck. Vielerorts werden Meinungs- und Pressefreiheit eingeschränkt. Finden sich Menschen zu Protesten zusammen, werden diese zu oft gewaltsam durch die Regime unterbunden. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, aber auch die Proteste im Iran verdeutlichen wie wichtig es ist, für die universellen und unteilbaren Menschenrechte einzutreten.

Wer ist mein Gesprächspartner zu diesem Thema?

Christoph Dinkelaker verfügt über ein großen Wissensschatz über das Gebiet Westasien, Nordafrika und den östlichen Mittelmeerraum. Er lebte viele Jahre in Israel sowie im Libanon. Noch während seines Studiums der Islam-, Politik- und Geschichtswissenschaft gründete er das journalistische Projekt Alsharq mit. Heute ist der Blog - unter seinem neuen Namen - dis:orient eines der wichtigsten deutschen Online-Medien für eine hintergründige, unabhängige, kritische und post-koloniale Berichterstattung zur WANA-Region. Ab 2010 begann Christoph für Alsharq politische Studienreisen zu leiten. Die gewonnenen Erfahrungen gibt er im Rahmen von Workshops an Mitarbeitende von politischen Stiftungen, Vereinen oder Unternehmen weiter.

Prekäre Menschenrechtssituation am konkreten Beispiel

Kriege, Besatzungsregime, autoritäre Regime, sog. “failed states” sowie die Herausforderung des religiösen Extremismus - das sind Phänomene, die den Nahen Osten stark prägen. Christopher nimmt uns im Gespräch mit auf die Reise. Er spricht über die besondere Gemengelage, die die Situation für die aktive und mutige Zivilgesellschaft, sehr gefährlich und lebensbedrohlich macht. Am Beispiel von vier Ländern zeigt er eine sehr problematische Menschenrechtslage auf:

  • Syrien. Seit mehr als 11 Jahren herrscht Krieg. Ein Krieg, den das Regime gegen die eigene Bevölkerung führt. Die Syrer*inen leiden am Stärksten darunter - inzwischen haben mehr als die Hälfte der Menschen ihren ursprünglichen Wohnsitz verloren. Oppositionelle Arbeit wird vom autoritären Regime nicht geduldet. Die westliche Welt reagiert mit internationalen Sanktionen gegen die grausame Politik gegen Machthaber Baschar al-Assad.

  • Ägypten. Die Menschenrechtslage im Land ist katastrophal. Alle Menschen, die sich dagegen auflehnen, bringen sich und ihre Familien in Lebensgefahr, riskieren weggesperrt oder in Haft gefoltert zu werden. Trotzdem wird der ägyptische Präsident Abd al-Fattah as-Sisi zu internationalen Besuchen, u.a. nach Berlin und zu wichtigen Foren eingeladen, wie zuletzt zum Klimaforum in Sharm el-Sheikh.

    Christoph kritisiert zu Recht die ungleiche Behandlung der Verbrecherregime in Syrien einerseits und in Ägypten andererseits. Die große Diskrepanz hängt mit der westlicher Interessenspolitik im Bezug auf Migration, Energieressourcen und wirtschaftliche Aufträge zusammen.

  • Israel/ Palästina. Seit Beginn der inzwischen fast 65-jährigen Besatzung des Westjordanlandes, Gazastreifens und Ostjerusalems kam es zu vielen völkerrechtswidrigen Handlungen. Millionen Menschen, insbesondere Palästinenser*innen, wurden Grundrechte verwehrt, wie das Recht auf körperliche Unversehrtheit, Meinungs- und Bewegungsfreiheit sowie das Wahlrecht. Trotz regelmäßiger Gewalt von beiden Seiten, sprechen Menschenrechtsorganisationen, wie Amnesty International und Human Rights Watch mittlerweile sogar von einem Apartheids-System, also einer rechtlichen Segregation, zwischen Palästinenser*innen und Israelis.

  • Libanon. Der Staat zerfällt aufgrund korrupter politische Eliten, die politische und wirtschaftliche Posten allein an Familienmitglieder und loyale Anhänger*innen vergeben. Ein Großteil der Menschen ist verarmt und hoffnungslos, da es trotz zahlreicher Protesten zu keinen Reformen kommt. Der Migrationsdruck nach Europa ist enorm.

Klar ist: In diesen Ländern braucht es dringend einen Politikwechsel! Und es braucht eine ganz konkrete Verurteilung der Menschenrechtsverbrechen von der westlichen Welt und Europa, die an Sanktionierungen zu koppeln sind.

Nicht die Flinte ins Korn werfen

Mich beschäftigt als Sprecherin für Entwicklungszusammenarbeit die Zusammenarbeit mit verschiedenen Ländern auf wirtschaftlicher und ökonomischer Ebene. Im Rahmen meiner Abgeordnetentätigkeit habe ich mich vor Kurzem mit drei indigenen Frauen aus dem Amazonas getroffen, denen die Stadt Berlin finanzielle Mittel für die Aufforstung ihrer Gemeinde zur Verfügung gestellt hat. Unterstützungsmöglichkeiten aus dem eigenen Land, gab es für die Frauen nicht. Dass Berlin Wirtschaftstöpfe hat, um Engagement in anderen Ländern zu fördern, ist sehr wertvoll und nachhaltig. Denn man muss immer bedenken: Auch wir sind auf die anderen Regionen angewiesen und profitieren von diesen Investitionen.

Als Lichtenberger Politikerin im Abgeordnetenhaus bekenne ich mich ganz klar zur feministischen Außenpolitik. Denn in Krisengebieten sind es oft Frauen, die an Fronten stehen. Das wird zu wenig gesehen. Aktuelle Beispiele dafür sind die Proteste im Iran und in Indien, wo Muslima im Rahmen der Kopftuch-Debatte für Selbstbestimmung kämpfen. Zum Ansatz der feministischen Außenpolitik im Nahen Osten sage ich folgendes:

“Die Frage: Wie kann es eigentlich sein, dass wir wirtschaftlich mit Staaten kooperieren, die aber Menschentrechte auf der anderen Seite mit Füßen treten? ist absolut legitim. Aber sie ist real-politisch unheimlich schwer, von heute auf morgen zu beantworten. Es ist wahnsinnig heikel, das auszubalancieren. Wenn man mit einer Forderung, vielleicht sogar mit einer Utopie, von einer feministischen Außenpolitik herangeht, wird sie sich nicht gleich in jedem Detail konkret umsetzen lassen. Das bedeutet aber nicht, dass der Ansatz eine feministischen Außenpolitik per se zum Scheitern verurteilt ist.

Ich halte den Ansatz und das Ideal einer feministischen Außenpolitik immer für richtig, auch wenn wir das noch nicht in jedem einzelnen Ressort umgesetzt haben. Im Ministerium für Entwicklungszusammenarbeit treiben wir das ganz grandios voran. Die anderen Ressorts müssen nachziehen, aber das heißt nicht das man das jetzt aufgeben müsste, nur weil es noch nicht ganz geklappt hat.”

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